Wie ein Steinbeißer frisst sich der Kettenbagger in die Überreste des Wohnblocks Südring 138.
WEISSENFELS/MZ. Der Wohnblock im Weißenfelser Südring 138 war einmal. Immer und immer wieder frisst sich der Greifer eines 25 Meter hohen Kettenbaggers der Tollwitzer Recyclingwerke in die Überreste des zu DDR-Zeiten erbauten Betonklotzes, in dem einmal 87 Wohnungen ein Zuhause für Bewohner der Wohnungsbau Wohnungsverwaltung GmbH (WVW) waren. Aufgrund des zu hohen Leerstandes entschied das kommunale Unternehmen den Abriss, der in wenigen Tagen abgeschlossen sein wird, wie Bauleiter Dieter Lisker von der Firma aus Tollwitz vor Ort Auskunft gibt.
Die abgetragenen Betonteile sind nicht etwa nutzloser Müll, mit dem niemand mehr etwas anzufangen weiß, sondern gefragtes Baumaterial für den Straßenbau. "Die Teile des zerlegten Wohnblockes werden als Unterbau und auch für Parkflächen verwendet", sagt Lisker. Etwa 3 000 Tonnen abgebrochenen Betons kämen an der Abbruchstelle im Südring zusammen - Mengen, die in großen Containern zur Wiederverwertung abtransportiert werden. Es geht laut zu am ehemaligen Wohnungsstandort, aber nicht staubig. Denn der Bagger, der an den Steinbeißer mit den großen starken Händen aus Michael Endes "Unendlicher Geschichte" erinnert, ist mit einer Sprühvorrichtung ausgestattet. "Der Beton wird mit Wasser angefeuchtet, das bindet den Staub", erläutert Bauleiter Lisker.
Doch der gefräßige Steinbeißer, den Baumaschinisten wie Rüdiger Kirchberg und Thomas Oberkersch abwechselnd steuern, spuckt nicht nur Betonstücke aus, sondern lässt ebenso Badewannen, Kunststoffteile und Teerpappe mit lautem Getöse fallen. All das wird bei der Weißenfelser Firma Cortek entsorgt, ist weiter zu erfahren.
Die letzten Mieter, die hier noch bis zum Sommer gewohnt haben, können teilweise von ihren Fenstern gegenüber mitverfolgen, wie schwere Technik den Wohnblock zermalmt. Mit Unterstützung der WVW haben Hausbewohner nach Versammlungen und Einzelgesprächen im August neue Quartiere bezogen, blickt WVW-Chefin Kathleen Schechowiak zurück. "Diese Wohnungen haben wir modernisiert, mit neuen Bädern und Teppichböden ausgestattet, dabei hatten die Bürger Mitspracherecht", sagt die Geschäftsführerin.
Während der Bagger weiter seinen Hunger auf Beton stillt und den Block zerlegt, führt Schechowiak in eine leerstehende Wohnung in der Südstadt. Die verwaisten vier Wände dienen derzeit als Ersatzteillager. "Nicht nur Betonbrocken werden wiederverwendet", sagt Schechowiak. Das betreffe auch Zählertafeln und -schränke, außerdem Briefkastenanlagen sowie Türen, Wechselsprech- und Schließanlagen. Diese seien ebenso wertvoll und aus diesem Grund lange vor den Abrissarbeiten ausgebaut und gesichert worden.
"Wir haben in Modernisierungsarbeiten investiert und dabei Wünsche berücksichtigt, damit die Mieter zufrieden sind", lässt die Wohnungswirtschaftsexpertin die letzten drei Monate Revue passieren. Zudem koste der Abriss dieses einen Wohnblocks mit einer Fläche von 2 600 Quadratmetern immerhin 100 000 Euro. Mit 60 Euro je Quadratmeter sei die Maßnahme finanziell aus dem Programm Stadtumbau Ost gefördert worden.
"Was wir im nächsten Jahr an Abrissen oder Teilabrissen wo und wie realisieren können, hängt von der Höhe der Fördermittel ab, die wir bekommen", kündigt Schechowiak an. Sie erwarte in diesen Tagen den Bescheid. Ein straffes Sparprogramm - ohne Aufnahme neuer Kredite - sei angesagt und deshalb würden die eingelagerten Teile wieder einer Nutzung zugeführt - entweder durch die WVW selbst oder durch andere Firmen. Interessenten gebe es reichlich.
Mittlerweile habe das größte Wohnungsunternehmen der Stadt viele Wohnungstüren "aus den Ersatzteillagern" verkauft und bei Betrieben der Region dankbare Abnehmer gefunden. "Das ist kein Billigkram, das sind Holzfurniertüren von richtig guter Qualität, von denen eine mal um die 1 500 Euro gekostet hat", weiß die 41-Jährige zu berichten.
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