WEISSENFELS/MZ. "Mausgrau is nich - mausgrau wird man selbst, ich will was Frisches", sagt Hildegard Schilling lachend. Die kleine zierliche Frau empfängt uns schon gutgelaunt an der Wohnungstür, obwohl sie den Umzug in die neuen vier Wände gerade erst mit Hilfe ihrer Tochter hinter sich gebracht hat. Ein himbeerfarbener Teppichboden sollte es unbedingt für den Neuanfang sein. Und damit bewies die älteste Mieterin im Rahmen des Umzugs von einem Wohnblock in den anderen im Weißenfelser Südring viel Mut zur Farbe.
"Sich so eine ausgefallene kräftige Farbe für den Fußbodenbelag auszusuchen, das hat mich überrascht und beeindruckt", erklärt die Geschäftsführerin der WVW Wohnungsbau Wohnungsverwaltung Weißenfels GmbH, Kathleen Schechowiak, schmunzelnd. Die Vermieterin gratuliert mit einem Rosenstrauß. Denn die 87-jährige Hildegard Schilling gehört zu den ersten Mietern, die aus ihren Einraumwohnungen im Südring 138 umgezogen sind nach gegenüber. Das Haus, das sie zuvor bewohnt hat, kann sie vom Fenster aus sehen. Es wird in einigen Wochen nicht mehr da sein, weil hier das Leben fehlt.
Für 13 weitere Bewohner richtet das kommunale Unternehmen in den benachbarten Plattenbaugebäuden mit den Hausnummern 134 und 136 wunschgemäß Wohnraum her - neue Bäder, neue Auslegware stellt die WVW zur Verfügung. Im November soll der Block mit seinen dann 87 leerstehenden Wohnungen, in dem die alte Dame bis vor kurzem zu Hause war, abgerissen werden. "Es muss sein, denn wir haben hier immerhin 45 Prozent Leerstand", gibt WVW-Chefin Schechowiak zu bedenken. Die meisten betroffenen Mieter zeigten in einer Versammlung Verständnis für die Maßnahme und willigten in einen Umzug ein.
"Als ich hörte, dass unser Block in Süd abgerissen werden soll, da war ich ganz schön niedergeschlagen", gibt Hildegard Schilling zu. Sie dachte, in ihrem Alter nicht noch mal die Wohnung wechseln zu müssen. Inzwischen hat sie sich nebenan eingelebt und zeigt stolz ihr kleines Reich - mit der nagelneuen Auslegware in Himbeere. "Ist sie nicht ein Traum, passend zu meinen Vorhängen", schwärmt die rüstige Seniorin, die sich noch selbst ihr Mittagessen kocht und einkaufen geht. Auch das Bad mit den neuen Fliesen in Beige gefalle ihr. "Es ist schön, dass wir Mieter einbezogen wurden und uns vor dem Umzug die Farben mit aussuchen durften", meint die betagte Rentnerin zufrieden.
Auf das Jubiläumsfest am Samstag auf dem Georgenberg freut sie sich und will es mit ihrer Schwester Brigitte Schulze, die in der Otto-Schlag-Straße auf dem Kugelberg wohnt, hingehen. "Das Wetter muss mitspielen und meine Gesundheit auch", räumt Hildegard Schilling ein. Seit die WVW besteht, fast so lange sei Frau Schilling Mieterin. "Da gehöre ich eigentlich auf das Fest", erklärt sie mit einem schelmischen Blick.
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